Johannes Heidecker ist Wirtschaftsberater der Regierung in Nordmazedonien und bringt dort gemeinsam mit den KollegInnen im Wirtschaftsministerium, den Kammern, der GIZ und EU unter anderem den Zweig Tourismus weiter. KlessheimkollegInnen kennen ihn als „Germy“ 😅
Lieber Germy, welchen Ausbildungszweig an der TS Klessheim hast du besucht und in welchem Jahr hast du deine Ausbildung abgeschlossen?
Zu meiner Zeit war es die „HLF Höhere Lehranstalt für Fremdenverkehrsberufe“, also die fünfjährige BHS. Hotel und Reisebüro/Fremdenverkehrsverein waren damals noch gemeinsam, auch mit je zwei Sommerpraktika in diesen Bereichen. Dort war ich von 1978- 1983.
An was erinnerst du dich gerne? Gibt es eine lustige Anekdote, die du mit uns teilen kannst?
„Lustiges“ will mir nicht in Erinnerung kommen. Vielleicht, das es kein Trockenbenzin gibt, aber das geschah vor meiner Zeit. Generell galt in meiner Schulzeit das Wort von Prof. Flaschberger: „der jahrelange Umgang mit Kommunisten kann einen nicht so verderben wie ein halbes Jahr im Gastgewerbe“.
Wir wurden als mehr oder weniger verwöhnte Fratzen in die harte Lebensrealität gestoßen. Ich erinnere mich an 7:45 h Schule, zum Sport radeln, zwei Stunden Schwimmen, zurückradeln, umziehen, um 18 Uhr zum Serviceeinsatz Ball im K-Haus antreten und dann 12 h durcharbeiten. Ein Kleßheimer etwas über mir hat mir vor meiner ersten Klasse gesagt: „wenn Du da wieder herauskommst, hast Du eine Elefantenhaut“. Und das stimmt so.
Eine Strafstunde bin ich „Harry Hurtig“ schuldig geblieben, seine Schlamperei. Ich hatte da schon gelernt, wie das geht – eine sehr gute Vorbereitung auf das Militär.
Manches ist vergangen. Stenographie habe ich nur ein einziges Mal in meinem Leben beruflich verwendet. Kursbuch lesen etwas öfter, aber Flugpreise per Handbuch auf Papier ausrechnen kann sich heute keiner mehr vorstellen. Im Reisebüro habe ich als erster Mitarbeiter den ganzen Schulungskurs am Flugbuchungsterminal beendet. Das war auch für die Lehrer neu, denn zu meiner Zeit gab es keine Computer an der Schule. Das mechanische Klemmbrett im Betriebsbüro für die doppelte Buchhaltung auf Papier, welches das Kohlepapier festgehalten hat, kam uns schon sehr fortgeschritten vor! Nur die guten Schüler durften da mal selber eine Rechnung damit verbuchen.
Lieber erinnere ich mich an gute Lehrer, die aus der Praxis kamen und uns vom richtigen Leben erzählt haben. Das war vorher oder nachher auf der Uni nicht immer so. Ich erinnere mich an eine starke Klassen- und Jahrgangsgemeinschaft, die bis heute anhält. Ich erinnere mich an Lehrer, die uns aus dem Abendstudium herausgefischt, im Lehrerzimmer um einen Tisch gesetzt haben und noch einmal das abgekürzte Dividieren durchgegangen sind. (Taschenrechner waren noch nicht erlaubt.) Solange bis der Fleck für fast alle außer Sichtweite war. Ich erinnere mich später an die Ermunterung, den Taschenrechner zu programmieren bis er die Einkommensteuertabelle konnte, und zwar besser als die amtliche Tabelle! Ich erinnere mich an die Unterstützung, doch alleine Veranstaltungen zu organisieren, der Frühlingsball 1982 war dann der Erste aus einer langen Reihe. Ich habe einen ganzen Tisch voller Geld dreimal gezählt, und wir konnten damit eine schöne Klassenreise finanzieren. Die Kleßheim-Gemeinschaft ging nach der Schule noch weiter, denn eine kleine Gruppe hat dann auch auf der WU zusammen weitergemacht.
Kücheninventur: auch Teil von Johannes‘ Karriere
Wie ging es nach Klessheim für dich weiter?
Kleßheim, Gebirgsartillerie, Studium an der WU. Darin enthalten ein Praktikum bei Hewlett-Packard in Wien und in den USA bei Chrysler (heute Stellantis). Danach 14 Jahre in Frankreich, wo ich auch wieder zu Chrysler gestoßen bin. Mit damals DaimlerChrysler kam ich nach damals Serbien-Montenegro als Finanzdirektor, später habe ich die Bus-Sparte dort ausgegründet und geleitet. Weiter ging es nach Moskau und fünf Jahre nach Tschechien, dort als Finanzdirektor der Bus-Produktions- und Vertriebsfirma. Ganz kurz Kenia, dann Rumänien und zuletzt Slowenien in der gleichen Funktion. Nach 26 Jahren habe ich an einem kalten Corona-Januar-Freitag auf einem Aldi-Parkplatz die Autokarriere mit der Übergabe meines Werksausweises und einem Handschlag beendet, am Montag darauf saß ich im warmen Vorbereitungskurs für meine jetztige Aufgabe. Ich bin heute einer der 12 externen Berater des mazedonischen Premierministers, mit Aufgabenbereich Wirtschaft.
Was ist das Spannendste an deiner derzeitigen Aufgabe?
Als jemand der sich schon als Schüler für Politik interessiert hat ist es schon spannend, einmal auf der anderen Seite zu sitzen. Viele Menschen sind mit der Politik unzufrieden und kritisieren. Ich frage sie dann immer: „Was soll ich dem Premierminister denn konkret auf den Vorschlagszettel schreiben?“
In der Realität ist Politik eine Angelegenheit von sehr vielen Menschen. Ein Ameisenhaufen, ein Gemeinschaftswerk, und Politik ist die Kunst des Möglichen. Ich habe eine sehr große Vielfalt an Themen: Energie, Tourismus, Textilindustrie, Startups, Zirkulärwirtschaft, Lebensmittelhandel, Personalwirtschaft, Sozialunternehmen, Digitales. Meine Projekte gehen von getrockneten Tomaten bis zum Windkraftwerk. Ich weiß am Morgen oft nicht, was bis zum Abend die Themen sein werden. Erfahrung und der Austausch mit vielen Menschen hilft, meine Tannennadel am Abend hoffentlich an einer guten Stelle abzuladen.
Für Kleßheimer vieleicht interressant: Ich sitze in einem Tourismusbeirat, habe zweimal den Tourismusteil auf Konferenzen moderiert, Vorträge gehalten, und plane gerade eine Wirtschaftsdelegation mit der WKO. Gerade haben wir mit einem Fernsehkoch einen neuen Blog „Geschmackssache“ angefangen. An Spitzen-Gastronomieerlebnissen wie in Slowenien basteln wir noch. Die Innovation „Weineis“ (WICE) von drei jungen Mazedonierinnen muß sich als Startup noch durchsetzen. Letzte Woche ist Apfelmehl (glutenfrei!) als neues Projekt hinzugekommen.
Nordmazedonien hat sein touristisches Kapital kaum ausgeschöpft. Es hat als bergiges Binnen- und Seenland viele Gemeinsamkeiten mit Österreich. Albanien macht uns gerade vor, was alles geht wenn man das Potential ausnützen will und es fachlich angeht. Wir suchen österreichisches Know-How. Den „High Scardus Weitwanderweg“ zwischen Albanien, Kosovo und Nordmazedonier haben österreichische Experten abgesteckt. Ohrid (UNESCO Welterbe) könnte sich zu einem ökologischen Touristenjuwel entwickeln. Der Weg ist weit, aber die Chancen bestehen. Besonderer Dank an die Kleßheimer, die mich bereits jetzt unterstützen!
Was war das Wichtigste, dass du in Klessheim für dein Leben gelernt hast?
Der Umgang mit Menschen, von den Hilfskräften in der Schwarzgeschirrabwasch im K-Haus über den Lehrertischservice bis zu den Ballgästen.
Und danach: Buchhaltung – davon zehre ich bis jetzt wenn wir Förderanträge bearbeiten. Maschinschreiben – das spart mir jeden Tag 15 Minuten Zeit. Sprachen – ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal Arbeitssprache Deutsch hatte. Organisieren – danke an die Lehrer, die uns früh hier angeleitet, aber auch Freiheiten gelassen haben. Betriebs- und Volkswirtschaft, die Uni war in diesen Bereichen nur mehr Vertiefung. Und vieles mehr.
Welchen Tipp würdest du AbsolventInnen geben, die am Beginn ihrer Karriere stehen?
Sei ein Mensch.
Nicht nur im Politischen, sondern auch in der Arbeit, am Gast, mit den Kollegen, mit den Lieferanten und anderen Geschäftspartnern. Der gute Umgang, das Erbringen von Qualität, die der Gast und Kunde auch so empfindet, zahlt sich aus. Freundlichkeit steckt an, dann tun die Füße weniger weh. Keine Sprüche über Umweltschutz aufhängen, sondern das Papierl vom Boden aufheben. Den Verpflichtungen nachkommen, denn davon lebt die Familie des anderen. „Under-promise and over-deliver“.
Gibt es ein Thema, wo du KlessheimerInnen mit Rat und Tat zur Seite stehen kannst?
Natürlich bei allem, was mit meinem Einsatzland Nordmazedonien zusammenhängt. Oder wo man als Grauhaariger sinnvoll etwas beitragen kann. Gerne als „Gschicht’l-Drucker bei Veranstaltungen, über alles Mögliche oder mein Lieblingsthema Multikulturelles Management. Einfach kontaktieren – zB. über LinkedIn.